Die Natur als Architektin: Warum die Architektur Biennale 2025 zeigt, wie aktuell stiltlife ist
Wer war dieses Jahr auf der Architektur-Biennale in Venedig?
Schon am Eingang der Hauptausstellung empfängt einen der programmatische Satz zum Leitmotiv „Intelligens“:
„Die Zukunft der Architektur liegt nicht in der Kontrolle über die Natur, sondern in der Partnerschaft mit ihr. […] Können wir ein Gebäude entwerfen, das so intelligent ist wie ein Baum?“
Ein Satz wie ein Wendepunkt.
Denn genau um diese Partnerschaft geht es – und die Biennale zeigt 2025 so entschlossen wie nie, dass die Lösungen für unsere Zukunft nicht in technischer Überrüstung, sondern vor allem in der Rückbesinnung auf natürliche Intelligenzliegen.
Von Deep-Tech zu Deep-Nature
Die Ausstellung führt konsequent vor Augen:
Zukunftsfähige Architektur braucht nicht zwangsläufig mehr Hightech –
sondern die kluge Synthese aus Biosphäre und Technik.
Der belgische Pavillon demonstriert das eindrucksvoll:
Ein kleines Biotop steuert über Sensorik das Mikroklima seines Innenraums – Pflanzen regulieren Licht und Bewässerung autonom. Ein Mini-Ökosystem als Gebäudetechnik.
Der Deutsche Pavillon geht noch radikaler zurück zum Wesentlichen:
Drei Bäume in einem Raum. Simpel? Ja.
Aber als Antwort auf urbane Überhitzung: entwaffnend überzeugend.
Beide Beiträge formulieren dieselbe Botschaft:
Warum suchen wir komplexe Lösungen, wenn die Natur sie längst erfunden hat?
Städte wie Wälder denken – eine Notwendigkeit
Was wäre, wenn wir beginnen würden, Städte wie Wälder zu konzipieren?
Was, wenn Flächenentwicklung nicht länger im Konflikt mit Natur stünde, sondern gemeinsam mit ihr geplant würde?
Die TUM School of Engineering and Design zeigt mit „Architecture as Trees & Trees as Architecture“, wie diese Vision aussehen kann:
biologisch-technische Verbundstrukturen, aus denen Fußgängerbrücken oder ganze Gebäude entstehen – Architektur, die wächst statt gebaut zu werden.
Die Akademie der Bildenden Künste Wien wiederum zeigt mit „Epidermitecture“, wie Pilze, Moose und Flechten Fassaden in lebende, atmende Oberflächen verwandeln.
Eine „bio-inclusive stewardship of urban skin“, die Wartung, Mikroklima und Luftqualität verbessert.
Lebendigkeit wird zur Ressource.
Vernakuläre Intelligenz – der vergessene Schatz
Es ist bemerkenswert, wie stark die Biennale die Renaissance vernakulärer Prinzipien betont.
Nicht als nostalgisches Zitat, sondern als echte Lösungsstrategie.
Ob die Treehouse-Retreats von Peter Pichler Architects oder die mobilen flutsicheren Häuser von Marina Tabassum Architects in Bangladesch – beide zeigen, wie traditionelles Wissen und zeitgenössisches Design gemeinsam eine Zukunft formen können, die Anpassungsfähigkeit statt Ausbeutung in den Mittelpunkt stellt.
Kurator Carlo Ratti beschreibt die Biennale als Aufruf zu einer globalen Kettenreaktion.
Wir sagen: Carlo – wir stehen bereit.
Und was hat das alles mit stiltlife zu tun?
Sehr viel.
1. Architekturtheorie diskutiert aktuell die „Natur als epistemischen Partner“ – stiltlife ist dafür ein praxisnahes Beispiel.
Während Theorien wie New Materialism, Biodesign oder Non-Anthropocentric Architecture neu verhandeln, wie „intelligente Materie“ unseren Raum formen kann, zeigt der offenporige Kork des Stilt bereits heute, wie klimareaktive, atmende Hüllen funktionieren – ohne Maschinen, ohne Energiebedarf.
2. stiltlife greift das Prinzip der „Bio-inclusive Envelope“ auf.
Was die Akademie Wien als „Epidermitecture“ bezeichnet, ist im Stilt bereits angelegt:
Eine Fassade, die nicht steril sein muss, sondern Teil eines Mikroökosystems wird – und dadurch Komfort, Luftqualität und Lebensgefühl verbessert.
3. Der Stilt folgt denselben Logiken, die die Biennale feiert:
minimaler Eingriff in den Boden
maximale Reduktion von Versiegelung
material- statt technologieintensive Intelligenz
Ressourcenorientierung statt Ressourcenverbrauch
stiltlife zeigt, wie sich das theoretische Momentum aus Venedig konkret umsetzen lässt – im Maßstab des Wohnens, des Rückzugs, des touristischen Bauens, der Landschaftsarchitektur.
In der aktuellen Architekturtheorie ist stiltlife damit kein Randphänomen, sondern ein relevantes Fallbeispiel für naturbasierte Baukultur.
Von „less is more“ zu „cleverer ist mehr“
Vielleicht wird 2026 das Jahr, in dem Minimalismus neu definiert wird.
Nicht mehr „weniger ist mehr“, sondern:
„Cleverer ist mehr.“
Und dort, wo es nicht anders geht – wie der ungarische Pavillon fordert – auch ein entschiedenes:
„NO is more.“
Eine Architektur der Zukunft, die Grenzen setzt, bevor die Natur es tun muss.